Mal als eine wertvolle Verstärkung, mal ein Spiel mit dem Feuer (Teil 3)
Dies ist die dritte Abhandlung über spezielle Motive, die in der Eröffnungsphase vorkommen und bei denen der auf
e4 auftauchende schwarze Springer im Mittelpunkt steht. Dort kann der Springer die gegnerischen Kreise stören oder
- bzw. vor allem - in Zusammenarbeit mit einer weiteren Figur für Ungemach sorgen.
Damengambit D 36
I. Khenkin - R. Buhmann
Open Bad Wiessee 2016
1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sf3 d5 4. Sc3 c6 5. cxd5 exd5 6. Dc2 Dies ist eine ganze normale Variante, in der
Schwarz zumeist mit dem naheliegenden Zug …Le7 fortfährt. Doch manche Schachfreunde rempeln die weiße Dame c2 an
und spielen 6. …g6, worauf 7. Lg5 eine gute Antwort ist.
Nun gewinnt 7. …Lf5 keineswegs ein Tempo, denn nach 8. Db3! verliert Schwarz den Bauern b7, da 8. …b6 eine
raffinierte Kombination zulässt: 9. e4!! Lxe4 (nach 9. …dxe4 10. Se5 Le6 11. Lc4 De7 12. Lxe6 fxe6 13. Sxe4 Lg7
14. 0-0 0-0 15. Tfe1 steht Schwarz einfach schlecht) 10. Sxe4 dxe4 11. Se5 De7 12. Dh3 (droht Dc8+) 12. …Sbd7
13. Sxd7 Dxd7 14. Lxf6, und Schwarz kann getrost aufgeben.
Schwarz muss deshalb beizeiten die Fesselung auf der Diagonale h4-d8 bekämpfen mit 7. …Le7 8. e4 Sxe4!
Schon steht, wie angekündigt, ein Springer auf e4 und verhilft dem Nachziehenden auf sensationelle Art und Weise zu
vollwertigem Spiel. Auf 9. Sxe4 spielt Schwarz keineswegs …dxe4, sondern 9. …0-0!!, was im weißen Lager für Panik
sorgt wegen 10. Lh6 (nach 10. Lxe7 Dxe7 holt sich Weiß auf e4 die Figur zurück und behält einen Mehrbauern) 10.
…dxe4 11. Lxf8 exf3 12. Lxe7 Dxe7+ 13. Kd1 Lf5 mit einer mehr als ausreichenden Kompensation für die Qualität.
Deshalb spielt Weiß 9. Lxe7, wonach das naheliegende 9. …Dxe7 nach 10. Sxd5! cxd5 11. Dxc8+ für eine weitere
Verstimmung sorgen würde. Schwarz muss also 9. …Kxe7 spielen, wonach der Unruhestifter, der Rappe auf e4, endlich
verschwindet: 10. Sxe4 dxe4 11. Dxe4+ Le6 12. Lc4
Es ist eine Stellung mit verteilten Chancen entstanden, in der reichlich früh Remis vereinbar wurde.
Als die größten Kämpfer vor dem Herrn haben sich die beiden Großmeister nicht erwiesen, sind aber immerhin allen
Fallen aus dem Weg gegangen, die zu betrachten schon interessant war.
In den Aufzeichnungen von 1988 findet sich eine Partie zwischen dem früheren Weltmeister Anatoli Karpow und dem
russischen (inzwischen deutschen) Großmeister Artur Jussupow, in der weiter geschah: 12. …Da5+ 13. Kf1 Df5 14. De3
Sd7 15. Te1 Tae8 16. d5 cxd5 17. Lb5 a6 18. Da3+ Kd8 19. Da5+ Ke7 20. Db4+ Kf6 21. Dd4+ Ke7 22. Ld3 Dh5 23. h4 Kd8
24. Sg5 Thf8 25. Le2 Dh6 26. Lf3 Te7 27. Db4 Sf6 28. Dd6+ Td7 29. Df4 Sg8 30. Lg4 Kc8 31. Lxe6 fxe6 32. Tc1+ Kd8
33. Sxe6+ Ke7 34. Dxf8+ Dxf8 35. Sxf8 Kxf8 36. Th3 Se7 37. h5 Kg7 38. h6+ Kf6 39. Tf3+ Ke6 40. Te1+ Kd6 41. Tf6+
Kc7 42. g4 Sc6 43. Te8 d4 und gleichzeitig, ohne den gegnerischen Zug abzuwarten 1:0
Um überraschende Züge in einer frühen Phase der Partie war auch der Schwarzspieler in der nächsten Partie nie
verlegen.
Damengambit D 50
T. J. Paasikangas - I. Berzinsh
Finnische Meisterschaft 1995
Und jetzt kommt bestimmt …exd5, oder? 6. …Da5! mit der Idee 7. Lxf6 Lxc3+ 8. bxc3 Dxc3+ 9. Ke2 gxf6 10. dxc6
Db2+ 11. Kf3 Sxc6 und einer nicht alltäglichen Stellung. Die Möglichkeit, mit …b6 nebst …Lb7 auf den weißen König
anzulegen beunruhigte Weiß; es geschah 7. Sge2 Und jetzt folgt aber doch …exd5, oder etwa nicht? 7. …Se4!
Nun ging an 8. Lf4 Sxc3 (8. …Lxc3+ 9. bxc3) 9. bxc3 Lxc3+ 10. Sxc3 Dxc3+ 11. Ke2 exd5 kein Weg vorbei. Mit dem
König auf e2 kann die weiße Stellung nicht gefallen, aber es war das kleinere Übel. 8. a3?? Lxc3+
9. bxc3 Sxg5 – 0:1
Hier noch im Schnelldurchlauf drei weitere thematische Kombinationen.
Königsindisch E 81
A. Kuligowski - A. Sznapik
Warschau-Pokal 1979
13.Tab1? Zuerst 13.Lxa6 und dann vielleicht Tab1 war nötig. 13.…Sxe4! und wegen 14.Sxe4 Dxd2
15.Sfxd2 Lxe2 – 0:1
Noch viel mehr überraschende Züge gab es in der nachstehend aufgeführten Partie aus „Deutschlands östlichstem Open“
an der deutsch-polnischen Grenze.
Königsindisch E 608
B.Muskewitz – K.Schulz
Guben Open 2013
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.f3 Lg7 4.e4 0–0 5.Le3 Sc6 6.Sc3 e5 7.d5 Um den Einstieg des Springers nach d4 zu
verhindern, wird an dieser Stelle oft 7.Sge2 gespielt. 7.…Sd4 Das ist ein alter Trick mit der Hauptidee
8.Lxd4 exd4 9.Dxd4 Sxe4 –+. 10.Dxe4 hat 10.…Te8 zur Folge. 8.Sge2 c5 9.dxc6 dxc6 10.Sxd4 exd4 auf 11.Dxd4
folgt …Sd5! 11.Lxd4 Sxe4! 12.Lxg7 12.Sxe4 Lxd4 12.…Dh4+
13. Ke2?? Ein Kurzschluss. 13. …Df2+ nebst …Sc5 matt – 0:1
Die Bewertung des Spiels hängt ab vom Ausgang der Analyse der Stellung nach 13. g3 Sxg3 14. Lf6 (14. hxg3 verliert
nach 14. …Dxg3+ 15. Kd2 Td8+ 16. Ld3 Lf5 17. Sd5 cxd5) 14. …Te8+ 15. Se4 Txe4+! Aber nicht 15. …Sxe4+ 16. Lxh4
Sc3+ 17. Kf2, und Weiß hat das bessere Ende für sich.16. fxe4 Dxe4+ 17. Kf2
und nun nicht das verlockende Schachgebot 17. …Sxh1+ 18. Kg1+-, sondern 17. …Lg4!! 18. Dd3 Sxh1+ 19. Kg1 Sf2!!
Dieser Taifun-Springer begann sein zerstörerisches Werk mit dem Einschlag auf e4! 20. Kxf2 Df4+ 21. Kg1 Dxf6,
und der große Kampf ist beendet.
Nun haben wir genug Beispiele gesehen, was ein Rappen im weißen Lager anrichten kann. In der nächsten und letzten
Folge wird der Rappe mal an die Kandare genommen!
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eine oder andere Diagramm und hin und wieder weiterer erklärender Text die jeweilige Folge ergänzen.
Zu der nachstehend abgebildeten Stellung kam es am im Januar beim Open in Gibraltar zwischen zwei Spielern der
Weltklasse. Weiß hat einen Bauern mehr, kann aber die Punkteteilung – zu der es mehrere Wege gibt – nicht verhindern:
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