Auf ein "normales" Schachgebot kann man auf dreierlei Art reagieren: Neben dem Wegziehen des Königs sind das Schlagen
der Schach gebenden Figur sowie das Verstellen ihrer Wirkungslinie legale Züge.
Bei einem Doppelschach, per Definition dem gleichzeitigen Angriff zweier Schach bietender Figuren, gibt es keine
Alternative: Da hilft nur noch die Flucht, und wenn diese nicht möglich ist, erzeugt das Doppelschach zugleich ein
Matt. Ein klassisches Beispiel sehen wir hier:
Beispielstellung 1
Schwarz am Zug
Beide schwarzen Figuren sind angegriffen, der Turm d1 ist nicht einmal gedeckt, doch das Abzugsschach 1. …Sf3++
beinhaltet zugleich ein zweites Schachgebot, und zwar mit dem Springer. Da nun weder Dxd1, noch gxf3 legale Züge sind
(das zweite Schachgebot bliebe ja bestehen) und dem König die Flucht über h2 verwehrt ist, setzt Schwarz mit diesem
Doppelschach den Gegner matt.
Ein Doppelschach kann nur durch ein Abzugsschach entstehen. Dabei muss die abziehende Figur keine Rücksicht auf
gedeckte Felder nehmen, weswegen sie optimal platziert werden kann, auch auf sonst "verbotenen", sprich von den
gegnerischen Kräften kontrollierte Felder, so wie das Feld f3 im obigen Beispiel.
Totale Narrenfreiheit haben die am Doppelschach beteiligten Figuren allerdings nicht. Es kann vorkommen, dass
der angegriffene König so ziehen darf, dass er dem ersten Schachgebot ausweicht und zugleich die zweite
schachbietende Figur schlägt, etwa folgendermaßen:
Beispielstellung 2
Schwarz am Zug
Hier erzeugt 1. …Lxf2++ zwar ein Doppelschach, doch 2. Kxf2 hebt es wieder auf. Wäre das Feld f2 jedoch von einem
schwarzen Stein gedeckt (denken Sie sich einen Bauer auf e3 oder g3 oder einen Springer auf e4 oder g4), so setzte
das Doppelschach …Lxf2 zugleich den Schlusspunkt unter diese Partie.
Jedoch kann so eine Stellung mit Beteiligung eines Läufers in einer Partie nur sehr selten entstehen. Weit häufiger
arbeiten Turm und Läufer in einer anderen Form zusammen: der Läufer steht hinter dem abziehenden Turm, und beide
Figuren bieten gleichzeitig dem König Schach.
Beispielstellung 3
Weiß am Zug
In Beispielstellung drei führt Th4 wegen des Bauern g5 nicht zum Ziel (…gxh4). Aber mit der Hinlenkung 1. Dh8+! Kxh8
bringt Weiß den schwarzen König auf das richtige Feld, um mit dem Doppelschach 2. Th4++ den König nach g8 zu treiben
und ihn dort Matt zu setzen: 2. …Kg8 3. Th8 matt 1:0
Dieses Motiv kam in verschiedenen Variationen in der Turnierpraxis bereits wiederholt vor:
J. Hector – J. Gunnarsson
Mannschafts-EM, Plovdiv 2003
Weiß am Zug
Zuletzt geschah …Df6-f4 mit Angriff auf die weiße Dame. Der Damenabtausch 41. Dxf4 Txf4 wäre ein schlechtes Geschäft
für Weiß, der dann auf g4 oder b4 einen Bauern verlieren würde. Zum Glück fiel dem Anziehenden 41. Th8+! ein, was
eigentlich nur eine Figur hätte gewinnen sollen (41. …Kg7 42. Dxf4 Txf4 43. Txe8). Der Partiezug 41. …Kxh8? erlaubte
42. Th5++! 1:0
Dieses Doppelschach erzwingt die Folge …Kg8 43. Dh8+ Kf7 44. Th7 matt.
Auf der h-Linie passiert so etwas öfter, gelegentlich aber auch in der Brettmitte. Das vielleicht bekannteste
Beispiel bietet ein Duell zweier berühmter Altvorderen.
Caro-Kann B 15
R. Réti – S. Tartakower
Wien 1910
1. e4 c6 2. d4 d5 3. Sc3 dxe4 4. Sxe4 Sf6 5. Dd3
Der letzte Zug von Weiß ist ungewöhnlich. Réti wollte damit nur 5. …Lf5 verhindern (wonach 6. Sxf6+ nebst 7. Dxf5
eine Figur gewinnt) und rechnete mit 5. …Sxe4 oder 5. …Sbd7. Die bald folgende weltberühmte Kombination hatte der
Weltklassespieler, wie er später berichtete, zu diesem Zeitpunkt nicht einmal "angedacht". Es war ja sein Gegner,
der die "passende" Stellung herbeiführte mit 5. …e5?! 6. dxe5 Da5+ So hatte sich Tartakower das gedacht und
rechnete mit dem nahe liegenden 7. Sc3 Dxe5+ 8. Le3 Le7 9. Sf3 Da5 10. 0-0-0 0-0 und verteilten Chancen. Doch Réti
nahm wegen der offenen d-Linie Witterung auf, entdeckte 7. Ld2! Dxe5 und nun - statt mit 8. f3 die Figur zu
retten - opferte er den Springer 8. 0-0-0! Natürlich verbietet sich …Dxe4 wegen 9. Te1 mit Damengewinn, doch
was geschieht nach dem Schlagen mit dem Springer? 8. …Sxe4?
9. Dd8+!! Kxd8 10. Lg5++ Doppelschach und Matt im nächsten Zug, entweder nach 10. …Ke8 11. Td8 matt oder wie
in der Partie 10. …Kc7 11. Ld8 matt – 1:0
In den letzten Beispielen führte ein Hinlenkungsopfer zu einer Stellung, in der ein Doppelschach möglich ist, wobei
der Schlüsselzug auf einer Linie erfolgte. Seltener geschieht eine analoge Kombination auf einer Diagonalen.
Utjuganow – Konowalow
UdSSR 1950
Weiß am Zug
Die schwarze Übermacht auf der langen Diagonale entscheidet in jedem Fall. Die Hauptdrohung lautet …Sxe3 nebst …Dg2
matt. Weiß versuchte noch 1. Lh5 mit der Idee 1. …Dxh5? 2. Dxd7 Tb8 3. Ld4, und der Wind dreht sich. Doch mit Hilfe
des Doppelschach-Motivs ließ sich die Mattsetzung doch erzwingen: 1. …Dg2+!! 2. Kxg2 Sf4++ Das Doppelschach lässt
Weiß keine Wahl, sein König muss ziehen, das einzige freie Feld ist g1, doch nach 3. Kg1 exekutiert 3. …Sh3 matt 0:1
Das Zusammenspiel von Dame und Springer kann zu einer Standardkombination führen, bei der das Doppelschach selbst
nicht Matt setzt, aber den Boden dafür vorbereitet.
J. Timman – N. Short
Tilburg 1990
Weiß am Zug
Das Abzugsschach 28. Sd6+ gewinnt den Turm e8, das viel bessere Doppelschach 28. Sh6++! führt nach
28. …Kh8 29. Dg8+ Txg8 30. Sf7matt zu dem berühmten "erstickten" Matt, das wir in einer früheren Folge
bereits behandelt haben – 1:0
Manchmal wird ein Dauerschach nicht konkret ausgeführt, sondern "nur" angedroht und zwingt damit den Gegner in eine
für ihn nachteilige Variante.
Unregelmäßig A 06
J. Plachetka – L. Zinn
Decin 1974
Schwarz erkannte, dass er keinen Bauern gewinnen kann: nach 11. …Sxe5 12. Lxe5 Lxe5 gewinnt Weiß mit 13. Dh5 (droht
Dxh7 matt) Zeit, und holt sich nach …h6 14. Dxe5 den Läufer zurück und besitzt die bessere Bauernstellung. Der
Nachziehende hätte nun die drohend aufgestellten Figuren auf b2 und e5 beachten und 12. …f6 ziehen sollen. Er spielte
jedoch 11. …g6? was sich vermeintlich gegen Dh5 richtet, aber dieser Zug ging doch: 12. Dh5!! Die Pointe
des "selbstmörderischen" Damenausfalls ist das Doppelschach und Matt im Falle von …gxh5 13. Tg3+ Kh8 14. Sxf7++ matt.
In der Partie wurde das Doppelschach nicht vollzogen, sondern nur angedroht und zwang Schwarz auf die Annahme des
Damenopfers zu verzichten. 12. …Sf6 Doch auch danach konnte der Nachziehende den furiosen Angriff nicht mehr
abwehren: 13. Sg4!! gxh5 13. …Sxg4 14. Dxh7 matt. 14. Sxf6+
Weiß arbeitet erneut mit dem Motiv des Doppelschachs, das nach 14. …Kg7 15. Se8++ unweigerlich zum Matt führt:
a) 15. …Kg8 16. Tg3 matt.
b) 15. …Kg6 16. Tg3+ Kf5 17. Tg5+ Ke4 18. Sc3 matt (oder 18. Sf6 matt).
In der Partie geschah 14. …Kh8 15. Txh5 droht Txh7 matt 15. …h6 16. Sxd5+ Okay, kein Matt, aber immerhin
ein Damengewinn durch Sxc7, was überzeugend genug war. – 1:0
Weitere, zum Teil noch raffiniertere Formen der Kombinationen, die auf dem Motiv des Doppelschachs basieren, werden
in der zweiten Folge in der nächsten Ausgabe aufgeführt.
Schachschule 64 als PDF
Teil 73 der Schachschule 64 kann
hier
als PDF-Datei heruntergeladen werden. Die Printausgabe unterscheidet sich etwas von der Online-Version, bei der das
eine oder andere Diagramm und hin und wieder weiterer erklärender Text die jeweilige Folge ergänzen.
Zu der nachstehend abgebildeten Stellung kam es am im Januar beim Open in Gibraltar zwischen zwei Spielern der
Weltklasse. Weiß hat einen Bauern mehr, kann aber die Punkteteilung – zu der es mehrere Wege gibt – nicht verhindern:
Jahrgangsschuber
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