Wichtige Motive in Endspielen mit ungleichfarbigen Läufern
Fast jede Figur kann das gegnerische Pendant angreifen oder gegen ihn abgetauscht werden. Ihre Wege können sich
kreuzen, nur bei einem Läufer ist es nicht immer der Fall. Läufer können ihre Felderfarbe nicht wechseln; während
sich alle anderen Figuren mit ihren Gegenübern ins Gehege kommen können, gilt das für Läufer nur beschränkt.
Haben beide Parteien je einen Läufer, und diese agieren auf der gleichen Felderfarbe, so spricht man von
gleichfarbigen Läufern. Diese können in Endspielen auf eine bestimmte Art eingesetzt werden. Ein konkretes Beispiel:
Wenn der Läufer den Bauern schlägt, ist die Stellung remis, egal, ob der schwarze Läufer auf
dem Brett bleibt oder nicht. Weiß muss also um das Feld e7, das einzige Feld, auf dem der Läufer zuschlagen kann,
eine Art Barrikade errichten.
Weiß gewinnt
Mit 1. Ld6! macht Weiß seinem Freibauern den Weg frei und kann ihn bis zum Umwandlungsfeld durchdrücken, sowohl nach
dem Läuferabtausch 1. …Lxd6 2. Kxd6 Kf8 3. Kd7 nebst e7+, als auch nach 1. …Lc1 2. e7 Kf7 3. Kd7. Wäre in der
Stellung Schwarz am Zug, würde auch 1. …Lf8 nicht helfen. Es folgt 2. Ld6, und es ist aus.
Hat im Läuferendspiel eine Partei einen Läufer, der auf den weißen Feldern agiert, die andere einen auf den schwarzen
Feldern, spricht man von ungleichfarbigen Läufern. Diese können sich nicht auf einer Diagonale begegnen und somit
auch nicht gegeneinander getauscht werden; die im ersten Beispiel skizzierte Gewinnführung scheidet aus.
Das Feld d7 ist wie ein tiefer Canyon, mit einem reißenden Fluss, der Bauer kommt niemals
unbeschadet hinüber, keine Barrikaden, keine Brücken. So lange sich der schwarze Läufer nicht aus lauter Übermut dem
weißen König zum Fraß vorwirft, endet die Partie remis
Egal wer am Zug ist, remis
Um ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern überhaupt gewinnen zu können, werden zwei (Mehr-)Bauern benötigt, und
manchmal reicht auch das nicht aus. Die nächsten drei Abbildungen zeigen Standardendspiele bzw. Musterstellungen:
Weiß gewinnt
In diesem Endspieltypus kann die stärkere Seite nur durch den Vormarsch der Freibauern gewinnen, jedoch muss der
Zeit-punkt des Vorrückens wohlüberlegt sein. Noch ist es nicht soweit, jeder Bauernzug wirft den Gewinn sofort weg:
1. e6?? Lxe6 remis oder 1. f6? Kf7, gefolgt von dem Läuferpendeln auf den Feldern e6-a2 bis zum
Sankt-Nimmerleins-Tag.
Auch ein Königszug kann schlagartig alles verderben: nach 1. Kd4? wird der Bauer f5 mit 1. …Lb1 angegriffen, mit der
Folge 2. f6+ Kf7 3. Kd5 La2+ 4. Kd6 Le6, und Schwarz pendelt wieder nur noch mit dem Läufer, remis.
Der Gewinnweg ist im Prinzip ganz einfach, Weiß setzt seinen König ein, um e5-e6 zu unterstützen. Zunächst muss der
gegnerische König abgedrängt werden: 1. Lh4+ und nun öffnet sich im schwarzen Lager eine Eingangspforte für den
weißen Monarchen:
a) 1. …Kd7 hier strebt der König auf das "Loch" f6 zu: 2. Kf4 gefolgt von Kg5-f6 und e5-e6+, oder
b) 1. …Kf7 (hier winkt das Feld d6) 2. Kd4 nebst Kc5-d6 und e5-e6+. Für Neugierige sei der Gewinnweg bis zum Schluss
aufgeführt: 2. …Lb3 3. Kc5 La2 4. Kd6 Lb3 5. e6+ Ke8 6. f6 La2 7. f7+ Kf8 8. Le7+ Kg7 9. f8D+ usw.
Wenn man es einmal gesehen hat, behält man dieses Motiv für immer im Gedächtnis.
Schwarz am Zug remisiert
Doch nicht immer setzt sich das von dem König unterstützte Bauernduo derart geradlinig durch. Ein rettendes Motiv
zeigt das letzte Diagramm:
Der schwarze Läufer muss den Bauern f5 angreifen, jedoch nicht mit 1. …Lc2?, wonach 2. e6+ nebst Ke5 gewinnt, sondern
von vorne: 1. …Ld7! Dieser Läuferzug zwingt den weißen König nach e4. 2. e6+?? Lxe6 3.fxe6+ Kxe6 endet ja sofort
remis. 2. Ke4 Lc8! Das war's. Mit dem Vorstoß e5-e6 klappt es nie mehr und da der Bauer f5 ständig angegriffen ist,
kann sich der weiße König nie auf den Weg nach d6 machen. remis
S. Tarrasch, 1921
Schwarz am Zug, remis
Welches Feld ist geeignet als Minenfeld, das der weiße Bauer nicht überqueren kann? Der weißfeldrige Läufer muss so
plaziert sein, dass er einen Bauern angreift und so den gegnerischen König bindet und sich im Fall des Falles gegen
beide gegnerischen Bauern abtauschen kann. Der Tausch muss also in der Nähe des schwarzen Königs geschehen, damit
dieser den Bauern, der seinen Läufer geschlagen hat, erobert. Weiß setzt auf den Plan e4-e5, Kd4-c5, gefolgt von Lg5+
und Kd6, mit Gewinn wie bereits in der Stellung des vorletzten Diagramms dargelegt. Aber 1. …Le8! remisiert:
2. Lb4+ Kd7! Besser als 2. …Kf7 3. e5 oder 2. …Kf6 3. Kd4 nebst e5. 3. Kd4 Oder 3. e5 Lf7 4. Kd4 Lg8 remis.
Wo müsste Weiß seinen König haben? Auf f6. Kann man das erreichen? Nein, dann käme …Lxd5 nebst …Kd6.
3. …Lf7 4. e5 Lg8! und analog dem letzten Beispiel bleibt der Läufer auf dieser Diagonale, bedroht ständig den
Bauern d5 und macht damit den Königsmarsch nach f6 nicht gut möglich. remis
In diesen Beispielen waren die beiden Mehrbauern verbunden. Manchmal sind sie auch vereinzelt. In dem Fall scheidet
das Motiv des Opfers für zwei (restliche) Bauern aus, dafür ist das Motiv der Diagonalsperre möglich. Was eine Sperre
ist bzw. wie sie funktioniert, wird im Weiteren erläutert, doch werfen wir zunächst den Blick auf eine Stellung, die
kurz zuvor auf dem Brett stand.
Die Lage der Schwarzspielerin scheint hoffnungslos zu sein. Sie hat bereits einen Bauern weniger und auf a5 hängt
noch einer. Und falls dieser gerettet wird, 55. …a4, so entscheidet der schnelle Einsatz des weißen Königs 56. Ld6
Kb7 57. Kf4 Kc6 58. Ke5 (Der Bd5 wird attackiert und muss von seinem König gedeckt werden.) 58. …Lb1 59. La3 Lc2 60.
Kf6, gefolgt von Kg7 und h6-h7 mit Gewinn.
Matwejewa verwirklichte stattdessen das rettende Motiv der Diagonalsperre: 55. …Kb7! 56. Lxa5 Kc6 Nun gelingt es Weiß
nicht, mit dem König am Königsflügel einzudringen, nach 57. Kf4 Kd6 wird zunächst Ke5 verhindert und nach den
weiteren Zügen 58. Kg5 Ke6
die besagte Diagonalsperre errichtet. Der Läufer d3 stoppt beide Bauern, die Felder f5, g6 und h7 stehen unter der
Kontrolle von Schwarz. Es gibt kein Durchkommen, die Partie endete nach einigen schon überflüssigen Zügen remis.
Diagonalsperren wie die in der letzten Diagrammstellung gezeigte sind nur in Endspielen mit ungleichfarbigen Läufern
möglich. Wären gleichfarbige Läufer auf dem Brett (z. B. kein Läufer auf a5, sondern einer auf b5), so wäre die
Partie nach Le8-g6 ruck zuck vorbei.
Wer mit Standardmotiven vertraut ist, hat es bei Partien immer etwas leichter. Das gilt für Anfänger wie für
Fortgeschrittene bis in die hohen Ränge des Profischachs. Hierzu eine nette Geschichte, die wir zwar vor sechs Jahren
bei dem WM-Turnierbericht bereits veröffentlicht haben, an die sich aber nicht jeder erinnert. Als die kritische
Stellung (vorletztes Diagramm) erreicht war, stürmte Matwejewas Sekundant GM Sergej Schipow mit wehendem Haar und
fuchtelnden Händen ins Pressezentrum und rief: "Das ist remis, das ist remis, sie weiß das, sie kennt das!" Ja, sie
kannte das, kaum verhallte Schipows Jubelschrei, schon hatte Matwejewa …Kb7! gezogen, den Bauern a5 geopfert und
flugs die Diagonalsperre errichtet.
Endspiele mit ungleichfarbigen Läufern bergen ein hohes Remis-Potenzial, mit einem Mehrbauern setzt sich die
materiell stärkere Seite meist nicht durch, oft sind sogar zwei Mehrbauern zu wenig, wie soeben aufgezeigt. Und es
gibt auch Situationen, wo selbst drei Mehrbauern nicht ausreichen. Mit diesem amüsanten Beispiel schließen wir diese
Trainingsfolge ab.
Schwarz am Zug remisiert
Der Verteidiger muss aufpassen, nach einem Läuferzug z. B. 1. …La1? (oder …Lb2, …Lc3 oder 1. …Ld4) entscheidet
jeweils die kleine Kombination 2. f6+ Lxf6 3. h8D+ Kxh8 4. Kxf6 nebst g7 und Ld5.
Der rettende Zug 1. …Kh8! nutzt den Umstand aus, dass das Schlagen des Läufers zum Patt führt, ebenso wie 2. Kf7 Lg7
3. f6 Lxf6 4. Kxf6. 2. g7+ Der letzte Versuch, in der Hoffnung auf 2. …Kxg7? 3. h8+ mit Gewinn, aber nach dem
richtigen 2. …Lxg7 ergibt sich remis.
Schachschule 64 als PDF
Teil 45 der Schachschule 64 kann
hier
als PDF-Datei heruntergeladen werden. Die Printausgabe unterscheidet sich etwas von der Online-Version, bei der das
eine oder andere Diagramm und hin und wieder weiterer erklärender Text die jeweilige Folge ergänzen.
Zu der nachstehend abgebildeten Stellung kam es am im Januar beim Open in Gibraltar zwischen zwei Spielern der
Weltklasse. Weiß hat einen Bauern mehr, kann aber die Punkteteilung – zu der es mehrere Wege gibt – nicht verhindern:
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