In dieser Serie untersucht SCHACH MAGAZIN 64 anhand von konkreten Beispielen Grundlagen der Eröffnung, des
Mittelspiels und der Endspiellehre. Diese Folge ist einem taktischen Motiv gewidmet, dem Grundreihenmatt.
Als Grundreihe wird die erste und die achte Reihe auf dem Schachbrett bezeichnet. In der Grundstellung stehen auf den
beiden Grundreihen alle Figuren mit Ausnahme der Bauern. In der Eröffnung ziehen die Bauern, machen den Weg frei für
die Figuren, diese schwärmen aus, nehmen am Kampf teil, oft werden sie abgetauscht, und die Reihen lichten sich
zusehends. Die Könige haben sich in der Regel durch eine frühe Rochade in Sicherheit gebracht, sie stehen nicht mehr
im Zentrum, sondern irgendwo seitlich am Flügel, dabei sehr oft auf der Grundreihe. Dabei kommt es in verschiedenen
Variationen zu Stellungen dieser Art.
Die Grundreihe beider Seiten ist schwach, weil die Könige nach einem Schachgebot über keine
Fluchtfelder verfügen.
Die Voraussetzungen für ein Matt auf der Grundreihe werden in diesem Diagramm dargestellt. Weiß am Zug würde mit 1.
Tb8 ein Schach bieten, das sich nicht abwehren lässt (allenfalls verzögern, 1. …Tc8 2. Txc8 matt), Schwarz wiederum
könnte, wenn er am Zuge wäre, seinerseits mit 1. …Tc1 matt setzen.
Mit dem Schachgebot wird der König gleichzeitig Matt gesetzt, da es weder eine Möglichkeit zur Flucht, noch zur
sonstigen Abwehr der Bedrohung gibt. Wie man sieht, bringt das Eindringen der Schwerfiguren auf die erste bzw. achte
Reihe (gemeint ist die gegnerische Grundreihe) sehr oft entscheidende Drohungen gegen den gegnerischen König.
Hier haben die beiden Könige jeweils ein Fluchtfeld zur Verfügung, sie müssen sich
vor einem Schachgebot auf der Grundreihe nicht fürchten.
In der Stellung des zweiten Diagramms ist die Lage eine andere: beide Seiten haben vorgesorgt und beizeiten
Fluchtfelder (h2 bzw. g7) geschaffen, wo sich die Könige nach einem eventuellen Schachgebot einfach verstecken
können. Diese "Notausgänge" sind für die Könige überlebenswichtig, wie für Lebewesen die Luft zum Atmen, deshalb hat
sich für vorbereitende Züge wie h2-h3 oder …g7-g6 der anschauliche Ausdruck ein "Luftloch machen" eingebürgert.
Soweit die Grundbegriffe und vereinfachte schematische Darstellungen des hier behandelten Themas. In der Praxis wird
das Brett mit mehr Bauern und Figuren "bevölkert" sein, dennoch kann das Motiv der schwachen Grundreihe vorkommen und
mit Hilfe von geschickten Zügen ausgenutzt werden.
Sizilianisch B 48
G. Tringov - E. Bogdanov
Bulgarische Meisterschaft 1963
Hier fehlt dem Schwarzen das nötige Luftloch, er hätte statt 17. …Db6? besser 17. …g6
spielen sollen.
Wäre da nicht der Turm auf f8, so läge die Idee, mit Te8 matt zu setzen, dierekt auf der Hand. Doch der Turm steht
nun einmal da, es wäre schön, ihn irgendwie "wegzukriegen". Mit gutem Zureden wird's nicht klappen, eher schon mit
18. Dxf7+! und Schwarz gab auf, nachdem der Turm wiedergenommen hat, 18. …Txf7, folgt 19. Te8+ Tf8 20. Texf8 matt
(oder 20. Tfxf8 matt). 1:0
Katalanisch E 01
R. Réti - E. Bogoljubow
New York 1924
Stünde der schwarze König auf h8, würde Dxf8+ zum Matt führen. Er steht aber auf
g8. Für Weiß stellt sich somit die Frage, wie kann ich den Zusammenhalt der schwarzen Figuren auf der Grundreihe
noch weiter lockern und dann entscheidend eindringen?
24. Lf7+ liegt auf der Hand, ebenso wie die Antwort 24. …Kh8 Eine erzwungene Vertreibung des schwarzen Königs in die
Ecke. Nun ist das eben noch mögliche Fluchtfeld f7 dem König genommen und das wichtige Feld f8 noch weiter
geschwächt. 25. Le8! und Schwarz gab auf, denn in jedem Fall dringen die weißen Schwerfiguren entscheidend auf der
Grundreihe ein, entweder nach 25. …Txe8 26. Dxf8+, oder nach 25. …Lxc5 26. Df8+! Lxf8 27. Txf8 matt 1:0
Spanisch C 66
J. R. Capablanca - M. Fonaroff
Freie Partie, New York 1918
Mit …Da5 und Angriff auf den Turm e1 hätte Schwarz den nun folgenden Verwicklungen ausweichen
können.
Schwarz hätte hier 18. …Da5! spielen und den Turm e1 angreifen müssen. Da außerdem der Läufer auf e5 hängt, wäre die
weitere Folge erzwungen gewesen: 19. Lc3 Lxc3 20. bxc3. Wegen der Doppeldrohung Dxg7 matt und Sxd6 ist die Antwort
20. …Tg6 erzwungen, und nach den weiteren Zügen 21. Se7+ Kh8 22. Sxg6+ hxg6 23. Dd6 Kg8 24. Db4 wäre eine Stellung
mit verteilten Chancen entstanden.
Doch Schwarz versuchte zu tricksen mit 18. …Td1? Das ist zwar gut gemeint, 19. Lxc7?? scheitert ja an …Txe1 matt,
aber nach 19. Txd1 Lxe5 bekommt Schwarz Probleme mit der Grundreihe: Natürlich kann Weiß die angegriffene Dame g3
einfach wegziehen, aber der spätere Weltmeister stellte in etwa folgende Überlegung auf: Wären da nicht die Figuren
auf c7 und f8 (die beide das Feld d8 decken), so könnte Td8+ mit Matt geschehen. Es gilt also, die beiden Figuren
abzulenken. Und so kam es auch, in einer besonders gefälligen Form:
Hier gilt es genau hinzusehen. Übereifer schadet nur, oft ist ein Zwischenzug hilfreich.
20. Sh6+ Kh8 Jetzt sind König und Turm getrennt, es bieten sich Motive für Springergabeln und Mattdrohungen auf der
Grundreihe an. Aber Vorsicht, es ist nicht egal, wo was unternommen wird. Dem (falschen) Zug 21. Sxf7? liegt die
Überlegung zugrunde, dass Weiß nach 21…Txf7? 22. Dxe5! Dxe5 23. Td8+ die Schwächung der schwarzen Grundreihe
ausbeuten kann. Aber Schwarz spielt nach 21. Sxf7+ besser 21…Dxf7!, und falls dann 22. Dxe5 folgt, so wird Weiß mit
22…Dxf2+ 23. Kh1 Df1+! auf seiner geschwächten Grundreihe matt gesetzt.
In der Partie geschah viel besser 21. Dxe5! Dxe5 22. Sxf7+! Der Turm darf den Springer nicht schlagen, da käme das
angestrebte Td8+ und Matt, also muss Schwarz 22. …Kg8 antworten und hat nach 23. Sxe5 viel Material verloren, also
1:0
Schachschule 64 als PDF
Teil 27 der Schachschule 64 ist in Ausgabe Schach-Magazin 64, August 2012, erschienen und kann
hier
als PDF-Datei heruntergeladen werden. Die Printausgabe unterscheidet sich etwas von der Online-Version, bei der das
eine oder andere Diagramm und hin und wieder weiterer erklärende Text die jeweilige Folge ergänzen.
Zu der nachstehend abgebildeten Stellung kam es am im Januar beim Open in Gibraltar zwischen zwei Spielern der
Weltklasse. Weiß hat einen Bauern mehr, kann aber die Punkteteilung – zu der es mehrere Wege gibt – nicht verhindern:
Jahrgangsschuber
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