Zuerst die gute Nachricht: Die Europameisterschaften 2020 werden doch weiterhin "normal", sprich an einem Ort, mit
Spielern, die sich am Brett gegenübersitzen, ausgetragen. Das hat die Europäische Schachunion ECU offiziell
bekanntgegeben. Sie vertraut offenbar der Einschätzung vieler Fachleute, dass die turnierfreie "Corona-Zeit" seit
dem Großen Shutdown im März nach neun Monaten, also gegen Jahresende 2020, beendet sein dürfte. Das Konditional ist
angebracht, denn niemand kann in die Zukunft schauen, aber in einem dreiviertel Jahr kann man bei den
notstandsbedingt fast unbegrenzten Forschungsmitteln viel in der Forschung erreichen. Darauf vertrauend will die
ECU die Europameisterschaft 2020 durchziehen und zwar vom 8. bis zum 21. Dezember in dem slowenischen Badeort
Terme Olimia. Dieser Ort wurde mit Bedacht gewählt. In einer weitläufigen, bewaldeten Landschaft gelegen, lässt sich
das Gebot der Abstandhaltung, so denn noch gültig, besser verwirklichen als an einem herkömmlichen Badestrand.
[…]
Doch bei solchen Eliteturnieren spielen zehn, zwölf Teilnehmer mit, bei der Online-EM mussten die Ausrichter ein
ganz anders dimensioniertes Problem stemmen. Wie lässt sich eine Online-Veranstaltung mit fast fünftausend
Teilnehmern vieler unterschiedlicher Leistungsklassen bewältigen? Da stößt selbst das altbewährte Schweizer System
an seine Grenzen. Nach einer längeren Konsultation unter Beteiligung routinierter Organisatoren und Schiedsrichtern
fand man schließlich eine Lösung. Die Europäische Online Schachmeisterschaft 2020 (16. bis 31. Mai) wurde in fünf
Gruppen ausgetragen: A (für Spieler mit Elo 1000 bis 1400), B (Elo 1400 bis 1700), C (1700 bis 2000), D (2000 bis
2300) und E (für Spieler über 2300 Elo).
Die Veranstaltungen A, B, C und D umfassten zwei Teile: Am ersten Tag ("qualification stage", sieben Runden
Schweizer System) qualifizierten sich die 250 besten Spieler für das am nächsten Tag stattfindende Finale, das in
acht Runden ausgespielt wurde. Die ersten Hundert Spieler aus dem Finale waren für die Teilnahme an der
nächsthöheren Elo-Gruppe, die am übernächsten Tag startete, qualifiziert.
Allein in der Spitzengruppe (Elo ab 2300 aufwärts, mit über 500 Teilnehmern!) war das Reglement etwas anders. An
zwei aufeinanderfolgenden Tagen wurde je ein achtrundiges Turnier gespielt, deren Ergebnisse wurden gemittelt, und
die besten 14 Spieler waren für das Finale qualifiziert. Zu ihnen gesellten sich die beiden elostarken Großmeister
Anish Giri und David Navara. Die vierzehn Qualifizierten, ergänzt durch die beiden Großmeister an eins und zwei der
nach Elo geordneten Liste waren (es gelten die Wertungszahlen im Schnellschach):
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Damenindisch E 14
A. Sarana (Russland)
A. Giri (Niederlande)
Es sieht ganz so aus, als würde diese Partie bald remis enden, denn die Überdeckung des angegriffenen Bauern c4 mit
25. Tc1 ermöglicht die Überleitung ins remisliche Endspiel: 25. …Ta8 26. Tb7 Tfb8 27. Txb8+ (oder 27. Tc7 Ta4 nebst
…Txc4) 27. …Txb8 28. Kf2 Td8 29. Tc2 Lxc4 30. Txc4 Td2+ 31. Kf3 Txb2. Sarana verwarf diese Abwicklung und spielte
25. Kf2 Lxc4 26. g4 und Giri reagierte falsch mit 26. …Le6? Besser war 26. …fxg4 27. e4 Ta8 28. Txa8
Txa8 29. f5 Kf8 30. Td6 b5 31. Kg3 Le2 32. e6 fxe6 33. Txe6 mit verteilten Chancen. 27. e4! fxg4 28. f5
Weiß hat jetzt viel bessere Aussichten als in der zuvor skizzierten Variante, z. B. 28. f5 Lb3 29. Tdd7 Ta8 30. Tab7
Tfb8 31. Txb8+ Txb8 32. e6!, mit der Idee 32. …fxe6 33. Le5 Ta8 34. Txg7+. 28. …Lc8 29. e6
30. …f6 Dieser Zug verhindert zwar den Einschlag auf g7, aber der schreckliche Block f5 plus e6 bringt
Schwarz in eine hoffnungslos passive Stellung. 30. Ke3 Te8 30. …Tb7 31. Txb7 Lxb7 32. Td6 b5 33. Tb6 +-.
31. e5 Lxe6 32. fxe6 Txe6 33. Tdd7 fxe5 34. Txg7+ Kf8 35. Txh7 Kg8 36. Ke4 Td8 37. Lxe5 mit Turmgewinn oder
Matt per Th8 – 1:0
Weiter geht’s in der Juliausgabe 2020.
Auszug aus
"4500 Teilnehmer, 16 Finalisten, ein Europameister | Der Russe Alexej Sarana (20) gewinnt die erste Online-EM"
erschienen in
Zu der nachstehend abgebildeten Stellung kam es am im Januar beim Open in Gibraltar zwischen zwei Spielern der
Weltklasse. Weiß hat einen Bauern mehr, kann aber die Punkteteilung – zu der es mehrere Wege gibt – nicht verhindern:
Jahrgangsschuber
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