In dem erforderlich gewordenen Stichkampf setzte sich der Weltmeister schließlich mit 3:2 Punkten durch.
Die wohlwollende Titulierung als „Meister“ von seinem Bundesliga-Kapitän Sven Noppes korrigierte Arkadij Naiditsch mit
leiser Stimme: „Kleiner Meister!“, entgegnete der beste deutsche Schachspieler um Mitternacht enttäuscht und erschöpft.
Der Weltranglisten-38. hatte soeben Magnus Carlsen in zwei Verlängerungen jeweils ein 1:1 abgetrotzt – und erst in
der fünften Blitzpartie im Armageddon-Modus sicherte sich der Weltmeister aus Norwegen den Sieg beim Einladungsturnier
des Bundesliga-Abonnementmeisters OSG Baden-Baden.
"Das war ein großes Finale", befand der Brite Michael Adams, der vor dem Weltranglistenzweiten Fabiano Caruana (beide
vier Punkte) Platz drei belegte. Der Italiener hatte in der siebten Runde der Grenke Chess Classic sieben Stunden
lang alles versucht, um Schlusslicht David Baramidze (1,5) in die Knie zu zwingen und aus dem Zwei- einen
Tiebreak-Dreikampf zu machen. So teilten sich Carlsen und Naiditsch den Platz an der Sonne mit 4,5 Zählern, obwohl
sie im Schlussdurchgang gegen Etienne Bacrot (Frankreich) und Levon Aronjan (Armenien/beide 3,5) mehr als
Unentschieden verpassten. Ex-Weltmeister Viswanathan Anand (Indien/2,5) wurde im Achterfeld als Titelverteidiger
lediglich Vorletzter.
[…]
Naiditsch fasste sich jedoch wieder. Unbeirrt von vier gefährlich auf seinen König zurauschenden Bauern ließ
Naiditsch seinen letzten Bauern zur Dame marschieren. "Ich hatte immer mehr Möglichkeiten als er. Wenn ich so etwas
nicht auf Gewinn spiele, was dann?", vergeudete der 29-Jährige keinen Gedanken an eine Remisofferte. Carlsen wurde
unruhig, ehe er im 61. Zug kopfschüttelnd aufgab. "Das war beeindruckend! Auch wenn Arkadij Fehler machte, gewann er
die Partie noch einmal", lobte Short.
Königsfianchetto B 06
A. Naiditsch - M. Carlsen
Grenke Classic (3), Baden-Baden 2015
1. e4 g6 Carlsen wählt die Eröffnung, mit der er die schlechteste Bilanz vorweist (vgl. "Carlsens unglückliche
Liebe" nebenstehend). Eine Provokation, so ähnlich wie Carlsens Partiebeginn 1. e4 d5 2. exd5 Dxd5 3. Sc3 Dd8 im
Vorjahr gegen Caruana? 2. d4 Lg7 3. Sc3 d6 4. Le3 a6 Naiditsch reagierte in dieser Eröffnung in mehr als einem
Dutzend Partien auf dieselbe Weise. An dieser Stelle variierte er in der Regel und spielte 5. Dd2 oder 5. h4. Diesmal
unterband er den Vorstoß …b7-b5 mit 5. a4 Sf6 6. h3 0-0 7. g4!? e5 8. d5 c6 9. Sge2 cxd5 10. exd5 Lxg4!?
"Natürlich war ich etwas schockiert", sagte Naiditsch, "aber andernfalls hat Schwarz eine ziemlich schwierige
Stellung, ich plane Sg3 gefolgt von g5 und Se4." 11. hxg4 Sxg4
Figurenopfer dieser Art kommen in Königsindisch und artverwandten Stellungen wie dieser oft vor und sind manchmal auch
spielbar, insbesondere wenn Schwarz bald zu …f5-f4 und manchmal auch …e5-e4 kommt. Doch in dieser Form war Carlsens
Opfer einfach nicht korrekt. Naiditsch wies nach der Partie auf den besten Weg für Weiß hin: 12. Ld2! Db6 13. Se4 f5
14. S2c3 h5 15. a5 Da7 16. Lh3 fxe4 17. Sxe4 Dd4 (Nicht 17. …Sxf2? wegen 18. Le6+ Kh7 19. Txh5+!) 18. De2 "und es ist
kaum vorstellbar, dass Schwarz dies überleben kann". In der Tat gefällt die weiße Stellung nach z. B. 18. …Dxd5
19. f3 Sf6 20. c4 Df7 (20. …Dc6 21. Le6+ Kh8 22. Dg2) 21. Sxd6 sehr gut. Aber so wie er spielte, kam er aus der
Eröffnung ebenfalls gut heraus. 12. Dd2 Sd7 Gut genug war hier auch das langsame 13. a5, Naiditsch forcierte
die Ereignisse mit 13. Se4 f5 14. Lg5 Db6 15. Lh3 Sdf6 Nach 15. …Dxb2 16. 0-0 (droht Tfb1) 16. …Tfc8 17. Lxg4
ist der weiße Vorteil schon entscheidend, z. B. 17. …Txc2 (17. …fxg4 18. Tfc1) 18. Dd1 fxg4 19. Tb1 Da2 20. Txb7.
16. Sxf6+ Sxf6 17. Sc3 Dxb2 18. Tb1 Da3 19. Txb7
Dies ist eine der kritischen Stellungen in der Partie. Mit 17. …Tab8! hätte Schwarz die b-Linie übernehmen und
Kompensation erlangen können. Carlsen zuckte zurück,
Weiter geht’s in der Märzausgabe 2015.
Auszug aus
"„Kleiner Meister“ bietet Weltmeister die Stirn | Grenke Chess Classic: Carlsen behält erst im Blitz die
Oberhand | Naiditsch gelingen als erstem Deutschen seit 1894 zwei Siege in Folge über den amtierenden Weltmeister"
erschienen in
Zu der nachstehend abgebildeten Stellung kam es am im Januar beim Open in Gibraltar zwischen zwei Spielern der
Weltklasse. Weiß hat einen Bauern mehr, kann aber die Punkteteilung – zu der es mehrere Wege gibt – nicht verhindern:
Jahrgangsschuber
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