Die Geschichte von Anands glorreichem Comeback begann im Dezember 2013 bei einem Dinner anlässlich des Londoner
Classic Turniers. Die ehemaligen WM-Gegner Viswanathan Anand und Wladimir Kramnik saßen zusammen und unterhielten
sich über dies und jenes, dann kam die Rede auf das Kandidatenturnier im März 2014 und da fragte Kramnik, warum
zögerst du mit der Zusage? "Das Gespräch hat mir bei meiner Entscheidung wirklich geholfen", berichtete Anand nach
seinem triumphalen Siegeszug in Chanty Mansijsk. "Ich hatte [nach der WM in Chennai] den Fehler gemacht, nicht gleich
die Zusage für das Kandidatenturnier abzugeben. Ich wollte mir Zeit nehmen, mir darüber klar zu werden. Ich hätte
einfach zusagen und gegebenenfalls die Zusage zurücknehmen können. Stattdessen habe ich die Entscheidung immer mehr
hinausgeschoben. Ich brauchte einige Zeit, um mich zu erholen."
Nach dem Gespräch mit Kramnik gab sich Anand einen Ruck und begann mit der Vorbereitung. Detaillierter wird er dazu
sicherlich noch zu gegebener Zeit etwas sagen. Während diese Zeilen geschrieben werden, lediglich Stunden nach dem
Ende der Veranstaltung gab Anand nur zu Protokoll, dass er an die letzten vier Jahre - in denen er etliche
Rückschläge hinnehmen musste, in der Weltrangliste auf Platz 7 abrutschte und den WM-Titel verlor - nicht erinnert
werden möchte. "Ich bin glücklich mit dem Ausgang. Vor dem Turnier wusste ich ja nicht, was auf mich wartet."
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Phase 1: Anands Blitzstart
Die Runden 1 bis 7, also der erste Durchgang des doppelrundigen Turniers, verliefen im Zeichen eines Zweikampfs
zwischen dem Ex-Weltmeister Anand und dem Geheimfavoriten Aronian. Der Start gelang dem Erstgenannten ideal, dann
aber drehte Aronian mächtig auf und holte zur Halbzeit den Spitzenreiter ein.
Spanisch C 88
V. Anand - L. Aronian
1. Runde
1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. 0-0 Le7 6. Te1 b5 7. Lb3 0-0 8. h3 Lb7 9. d3 d5 10. exd5 Sxd5
In einigen neueren Partien erzielten die Schwarzspieler nach der Annahme des Bauernopfers 11. Sxe5 Sxe5 12. Txe5 Dd6
13. Te1 Tae8 ein aktives Spiel. Anand zeigte zunächst kein Interesse an dem Bauerngewinn, spielte 11. Sbd2
wonach ihn Aronian mit 11. …Dd7!? zum Schlagen auf e5 geradezu "überredete": 12. Sxe5 Sxe5 13. Txe5 Sf6
14. Te1 Tae8 15. Sf3 Ld6 16. Le3 Te7 17. d4 Tfe8 18. c3 Schwer zu sagen was jetzt richtig war. Aronians
Fortsetzung 18. …h6?! mit der ihr Urheber in der nachträglichen Analyse nicht zufrieden war, erlaubte eine
kleine Abwicklung mit einem leichten Vorteil für Weiß: 19. Se5! Lxe5 20. dxe5 Txe5 21. Dxd7 Sxd7 22. Ted1
Angezeigt war nun der Aufbau …Lc6 nebst …Sc5; Aronian entschied sich für 22. …Sf6?! was 23. c4!
erlaubte. Dies hatte Anand eigener Aussage zufolge bei der Vorausberechnung zu 19. Se5! schon eingeplant. Als die
Stellung tatsächlich auf dem Brett stand "war ich selbst überrascht, wie gut der Zug war". Aronian sah es ebenso und
überlegte nun angestrengt 40 Minuten lang. 23. …c6 24. Tac1 T5e7 25. a4 bxc4 26. Lxc4 Sd5 27. Lc5 Te4 28. f3 T4e5
29. Kf2 Lc8 30. Lf1 Räumt die c-Linie, um später den Bauern c6 unter Druck setzen zu können. 30. …T5e6 31. Td3
Sf4 32. Tb3 Td8 33. Le3! unterbindet das mögliche …Td2+ 33. …Sd5 34. Ld2! Dem Schwarzen gehen die
Springerzüge aus (auf … Sf6 folgt La5) und der Turm b3 ist auf dem Sprung nach b8. Der weiße Vorteil bekommt klare
Konturen, zudem schlitterte Aronian in Zeitnot. Die erste Entscheidung bei den Kandidatenkämpfen bahnte sich an.
34. …Sf6 35. La5 Tde8 36. Tb6 Te5 37. Lc3
Bei diesem Turnier wurde mit der "alten" Bedenkzeit gespielt, also ohne Zeitzugabe für jeden ausgeführten Zug. Wenn
man also nur noch neun Sekunden für die Züge 38 bis 40 hat, wie Aronian hier, bedeutet dies a) nur noch drei Sekunden
pro Zug und b) das geht nicht gut. Es ging auch nicht gut. 37. …Sd5 38. Lxe5 Laut Anand gewann 38. Txc6 noch
einfacher. 38. …Sxb6 39. Ld4 Sxa4 40. Txc6 Td8 Die Zeitkontrolle war überstanden, Aronian stand nicht mehr unter
Zeitdruck, aber seine Stellung war jenseits von Gut und Böse. 41. Tc4! Ld7 42. b3 Lb5 43. Tb4 Sb2 44. Lxb5 axb5
Aufpassen bis zum Schluss! Auf einen automatischen Zug wie 45. Ke2, der eigentlich nicht so schlecht aussieht (nimmt
dem Springer die Felder d3 und d1) folgt stark 45. …Sc4!, und der Springer entkommt, oder es ergibt sich nach 46.
bxc4 Txd4 47. Txb5 Txc4 ein totremisliches Endspiel. Anand spielte präzise 45. Ke3! Te8+ 46. Kd2 Td8 47. Kc3 und
wegen 47. …Sd1+ 48. Kc2 mit Springerfang 1:0
Aronian eröffnete die Verfolgungsjagd mit einem eindrucksvollen Sieg gegen Mamedyarov in einer hyperscharfen Partie.
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Auszug aus "Eine WM-Revanche steht an! | Anand gewinnt souverän das Kandidatenturnier und wird das
nächste WM-Match gegen Magnus Carlsen bestreiten
erschienen in
Zu der nachstehend abgebildeten Stellung kam es am im Januar beim Open in Gibraltar zwischen zwei Spielern der
Weltklasse. Weiß hat einen Bauern mehr, kann aber die Punkteteilung – zu der es mehrere Wege gibt – nicht verhindern:
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