Schach Magazin
Ausgabe 9 mit diesen zentralen Themen ::

Momente der Schacholympiade in Leipzig 1960




Foto: Privat-Archiv von Kurt Maulhardt

Schiedsrichter Kurt Maulhardt überblickt die Nachbetrachtung der Partie zwischen Debütant Viktor Kortschnoi (links am Brett) gegen den DDR-Spieler Sieghart Dittmann.


Die 14. Schacholympiade fand im Herbst 1960 in Leipzig in einer Umbruchszeit statt, die heute mit Blick auf die danach kommenden fünf Jahrzehnte Schach- und Weltgeschichte fast unwirklich erscheint. Wir befinden uns ein knappes Jahr vor dem Bau der Berliner Mauer; Reisen zwischen Ost und West sind ungehindert möglich und bei der Sommer-Olympiade 1960 in Rom startet - wie vier Jahre zuvor in Melbourne - noch eine gesamtdeutsche Sportmannschaft. Einen formalen Zwist gab es dabei schon im Vorfeld, denn seit 1959 hatte die DDR Hammer und Sichel als Symbole auf die Fahne genommen und als letztlich von der BRD geschlucktem Kompromiss liefen die Sportler in Rom mit einer deutschen Fahne ein, die im Zentrum auf rotem Grund die olympischen Ringe zeigte. Bei Mannschaftssportarten gab es jedoch keine gemischten Teams aus DDR und BRD, nur beim Turnen addierte man die Einzelergebnisse zu einem Team-Resultat und im Kanu-Vierer errang ein Boot mit jeweils zwei Sportlern aus jedem Staat die Goldmedaille. Solchen Besetzungen ging man beim Schach bereits seit den Staatsgründungen 1949 aus dem Weg. Bei der "kleinen" Olympiade 1950 in Dubrovnik nahm außer Gastgeber Jugoslawien kein weiteres Land aus dem Ostblock teil und die BRD erreichte hinter den Gastgebern und Argentinien Rang drei von 16 Teams, in Helsinki 1952 nahmen 25 Teams teil und die UdSSR startete ihren Nachkriegssiegeszug, wobei "Westdeutschland" in der A-Finalgruppe auf Platz 8 landete und "Ostdeutschland" in der B-Gruppe auf dem Gesamtrang 13 einkam. Die Teilnehmerzahlen wuchsen langsam und es muss immer berücksichtigt werden, dass es noch keine Frauen-Olympiade gab, denn die wurde erst 1957 eingeführt. Es sollte noch fast zwanzig Jahre dauern - 1976 in Haifa-, bis beide Wettbewerbe parallel ausgetragen wurden. 1954 kamen 26 Teams nach Amsterdam und von den deutschen Staaten war nur die BRD dabei und wurde Fünfte. 1956 in Moskau gab es für die BRD bei 34 Teams das gleiche Ergebnis und die DDR schaffte Rang 20. 1958 in München waren es 36 Teams und die DDR zog mit der BRD gleich, denn man war im A-Finale nach Mannschafts- und Brettpunkten genau gleich auf einem geteilten Rang 6. Mit einem sich politisch verfestigenden Nebeneinander von zwei deutschen Staaten konnte man in Ostdeutschland also Leipzig 1960 als ideales Schachfenster der Leistungsfähigkeit im Schach anvisieren. 1958 konnte es sich die BRD nicht leisten, die DDR trotz der politischen Nichtanerkennung des Staates nicht einzuladen und 1960 wollte man sein Gesicht durch einen Einzelboykott nicht verlieren. In den USA gab es politische Bemühungen, der Mannschaft eine Teilnahme zu verweigern, aber nach einem von den Medien aufgegriffenen Hungerstreik von Bobby Fischers Mutter lenkte man ein.

[…]

Beim Schach gab es im damaligen deutschen Sportverkehr auf internationaler Ebene keine Gemeinsamkeiten und so standen auch in Leipzig die beiden deutschen Staaten im Wettbewerb. Erneut schafften es beide Teams ins A-Finale mit 12 Mannschaften, doch reichte es mit Platz 8 und 9 nicht für ein Eingreifen um eine Medaille. 8:14 Mannschaftspunkte bei 19,5 Brettpunkten für die BRD und gleich dahinter 7:15 MP und 19 BP für die DDR. Das direkte Duell ging in Runde 2 bei zwei entschiedenen Partien 2:2 aus, wobei die Westdeutschen an Brett 2 eine typische Endspielschwäche im Endspiel Springer gegen Läufer ausnutzten da sich alle Bauern auf der dem Läufer entgegengesetzten Farbe befanden.








Der aus Radebeul bei Dresden stammende Karl-May-Verleger Lothar Schmid hatte bei seinem Auftritt in der DDR gute und weniger gute Momente und schaffte hinter Wolfgang Unzicker an Brett 2 das beste Einzelergebnis der BRD (9,5 Punkte aus 14 Partien = 67,9 %).
Foto: Privat-Archiv Kurt Maulhardt


Königsindisch E 98
L. Schmid - W. Pietzsch
Leipzig (Olympiade, A-Finale) 1960

1. c4 Sf6 2. Sc3 g6 3. e4 d6 4. d4 Lg7 5. Sf3 0-0 6. Le2 e5 7. 0-0 Sc6 8. d5 Se7 9. Se1 Sd7 10. Sd3 f5 11. exf5 gxf5 12. f4 Sg6 13. Le3 exf4 14. Sxf4 Sxf4 15. Lxf4 a6 Wir befinden uns Anfang der 60er Jahre in der Phase, da die Königsindische Verteidigung nach Weltkriegsende kräftig das Laufen lernte. Später wurde an dieser Stelle von sowjetischen Experten wie Lew Polugajewski und Eduard Gufeld sofortiges 15. …Se5 bevorzugt. 16. Dd2 Se5 17. Lh6 Lxh6 18. Dxh6 Ld7 19. Dd2 Tf7 20. Tf2 De7 21. Taf1 Taf8 22. b3 Tg7 23. Ld3 Sg4 24. Te2 Dh4 25. Df4 Dh5 26. Lc2 Se5 27. Te3



Schwarz kann eigentlich nicht klagen, denn er hat alle Figuren für das Gegenspiel am Königsflügel organisieren können. Rückblickend muss resümiert werden, dass nun ein Springerrückzug nach g6 gleiches Spiel behalten hätte. In der Partie wurden innerhalb von fünf Zügen fast alle Figuren getauscht und das Leichtfigurenendspiel brachte - wegen der Schwäche des c7-Bauern - einen einfachen Sieg für den Spieler mit Raumvorteil. 27. …Tg4 28. Tg3 Sg6 Besser war, den Se5-Posten zu behalten und mit Schwerfiguren zu agieren: 28. …Dg6 29. Txg4 Dxg4 30. Dxg4+ Sxg4. 29. Txg4 Dxg4 Hier geht 29. …fxg4 nicht, wegen 30. Lxg6! Txf4 31. Lxh5 Txf1+ 32. Kxf1 mit weißer Mehrfigur. 30. Dxg4 fxg4 31. Lxg6 Txf1+ 32. Kxf1 hxg6 33. Kf2 Kg7 34. Se4 Lf5 35. Ke3 a5 36. a3 b6 37. Sc3 Ld7 38. Kf4 Kf7 39. Sb5 Lxb5 40. cxb5 Kf6 41. g3 g5+ – 1:0

 
 
Auszug aus
"Tal und Fischer aufgeschrieben | Als Schiedsrichter noch ein glückliches Leben führten | Momente der Schacholympiade in Leipzig 1960"
erschienen in

SCHACH MAGAZIN 64, September 2012

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  Remisschluss einmal anders

Zu der nachstehend abgebildeten Stellung kam es am im Januar beim Open in Gibraltar zwischen zwei Spielern der Weltklasse. Weiß hat einen Bauern mehr, kann aber die Punkteteilung – zu der es mehrere Wege gibt – nicht verhindern:

 

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