Schach Magazin
Ausgabe 2 mit diesen zentralen Themen ::

China zieht durch!





Foto: Anna Burtasowa

Noch ahnen die Russinnen (v. l. Nadeschda und Tatjana Kosintsewa, dahinter Kosteniuk und Gunina) nicht, dass sie gegen China mit 0:4 untergehen werden.


China, Russland, Georgien, so lautet das Endergebnis der dritten Frauen-Mannschaftsweltmeisterschaft. Das gegenwärtige Frauenschach ist vor allem geprägt durch immer jünger werdende Teams und eine seit dem letzten Jahr stärker werdende chinesische Kontinuität an der Spitze.

Während die Herren seit 1985 auf zumeist vierjähriger Zeitschiene bereits ihre achten Champions der Kontinente kürten, haben die Frauen nach Jekaterinenburg 2007 und Ningbo 2009 eine noch junge Tradition mit zweijährigem Rhythmus. Für die Austragung 2011 in der Türkei gab es diesmal einige Anlaufschwierigkeiten. Knapp die Hälfte der zehn qualifizierten Nationen (Algerien, Peru, Ukraine und Vietnam als kontinentale Sieger und Russland, China, Georgien, Kuba und die USA als Qualifikanten der letzten Schach-Olympiade sowie die Türkei als Gastgeber) hatte für die Teilnahme kein Geld im Verbandsbudget, und so musste die Startliste dieses prestigeträchtigen Wettbewerbs kurzerhand umgemodelt werden: statt Algerien, Peru, Kuba und den USA reisten dann Armenien, Südafrika, Indien und Griechenland an. Die Stärke des Teilnehmerinnenfeldes stieg damit an, der Turniergedanke, den Champion der Kontinente zu ermitteln, war dahin. Und plötzlich tauchte auf Platz drei der Startliste mit Indien, das erstmals seit der Olympiade in Turin 2006 wieder mit der Ende letzten Jahres gescheiterten WM-Herausforderin Humpy Koneru antrat, ein weiterer Medaillenanwärter auf.

[…]

Startplatz eins belegte China und nicht der in Bestbesetzung angetretene Olympiade-Sieger Russland. Für dieses Duell um den Titel scharrten die Schachverantwortlichen aus Fernost die junge, aber bereits bewährte Riege um die Weltmeisterin im Teenager-Alter. Nach Hou Yifan (Elo 2578) folgten Ju Wenjun (2543), Zhao Xue (2541), Tan Zhongyi (2448) und Zhang Xiaowen (2364). Man staune über Zhao Xue, die souveräne Siegerin des Grand-Prix-Turniers in Nalchik an Brett 3, denn mit Geburtsjahr 1985 war die 26-Jährige die Dienstälteste und bereits seit 2002 im Olympiade-Team. Die anderen Geburtsjahre lauten Hou Yifan 1994, Ju Wenjun 1991, Tan Zhongyi 1991 und Zhang Xiaowen 1989. Der Generationenwechsel scheint endgültig gelungen. Hatte China in den Jahren von 1998 bis 2004 alle Frauen-Olympiaden dominiert, so gab es ab Mitte der letzten Dekade einen Bruch: die Weltmeisterinnen Xie Jun und Yuhua bekamen Kinder und setzten sich schrittweise zur Ruhe und Zhu Chen wanderte nach Katar ab. Bei den letzten drei Olympiaden gab es nur zwei Platzierungen (Turin 2006 Bronze und Chanty Mansijsk 2010 Silber) und anno 2008 in Dresden ein Fiasko als ein zur Turnierhälfte führendes Team nach 12:0 Mannschaftspunkten einbrach und dann mit 3:7 MP auf Platz 8 stürzte - mit einer Mannschaft, die bis auf das Reservebrett Zhang Xiaowen zu dieser Mannschaftsweltmeisterschaft identisch war! Die Gewinner von 2011 sind also trotz ihrer Jugend bereits durch manches Tief gegangen und gestärkt worden von den Großmeistern Yu und Ye, d. h. dem Coach Yu Shaoteng und dem langjährigen Cheftrainer und Sportkoordinator Ye Jiangchuan. Heute repräsentieren die vier Spitzenbretter einen Eloschnitt von 2527, also übliches Großmeister-Niveau aller Klassen!

[…]

Raufen hinter China

Eigentlich war die Entscheidung bereits vor dem Ruhetag nach Runde 5 gefallen: China gewann vier Mal und schickte Russland demoliert in die freie Zeit. Schon vor dem Spitzenduell lief es bereits nicht rund im russischen Vierer. Das Holpern fing bereits in der Auftaktrunde an, wo die wertungsmäßig unterlegenen Vietnamesinnen (Elo-Schnitt 2300 gegen 2506) bei drei Remis nur dank Guninas Sieg niedergerungen wurden.

Damenindisch E 17
V. Gunina (RUS, 2514)
Hoang Thi Nhu (VIE, 2218)

1. d4 Sf6 2. Sf3 e6 3. c4 b6 4. g3 Lb7 5. Lg2 Le7 6. 0-0 0-0 7. d5 Schwarz steht am Scheideweg. Mit der Annahme des Bauernopfers 7. …exd5 mit der bekannten Folge 8. Sh4 c6 9. cxd5 Sxd5 10. Sf5 Sc7 11. e4 d5 erzielen die Schwarzspieler statistisch gesehen die noch besten Ergebnisse, doch was hilft einem die Statistik, wenn man sich nicht an die richtige Verteidigung erinnern kann? Und erinnern kann man sich in der Regel nur bei einer zeitnahen Vorbereitung auf die Partie. Dies setzt jedoch voraus, dass man mit der Variante überhaupt rechnet. Die Vietnamesin schaute sich sicherlich die Partien von Gunina an, ein passendes Beispiel fand sie in der Datenbank jedoch nicht, denn die Russin hat dieses Gambit bislang nicht angewandt. Also wich die unvorbereitete Hoang dem Kampf mit offenem Visier aus: 7. …Dc8 8. Sc3 Lb4 9. Ld2 Te8 10. Dc2 exd5 11. Sxd5 Sxd5 12. cxd5 Lxd2 13. Dxd2 Die offene c-Linie lädt Weiß zu Tac1, Tc2 und Tfc1 ein, deshalb schließt sie Hoang beizeiten. 13. …c5 Mit nahe liegenden Zügen wie 14. Tfe1 d6 15. e4 Sd7 erreicht Weiß nicht viel. Gunina geht aufs Ganze mit 14. Df4!?



Da stehen gleich zwei Bauern ein, aber beide sind nicht bekömmlich:
a) 14. …Lxd5 15. Sg5! Lxg2 16. Dxf7+ Kh8 17. Df5 Le4 (erzwungen, denn …g6?? führt nach 18. Df6+ Kg8 19. Df7+ zum Matt.) 18. Sxe4 (droht Sd6) 18. …Dc6 19. Sg5 Dg6 20. Dxg6 hxg6 21. e3, gefolgt von der "Massage" auf der d-Linie: Tfd1, Td2, Tad1.
b) 14. …Txe2 15. Tfe1 Txe1+ 16. Txe1 Df8 17. Se5 mit starkem Druck für den Bauern. Nach z. B. 17. …d6 ist neben 18. Sc5!? auch das einfache 18. Sc4 Sd7 19. Sxd6 gut für Weiß: der Bauer ist zurück und die weiße Stellung eindeutig vorzuziehen.

Hoang entschied sich für 14. …d6 15. Dxd6 Dd7 mit der Idee 16. Dxd7 Sxd7 und Rückgewinn des Bauern auf d5 oder e2. Gunina spielte stärker 16. Df4! Das Hauptproblem von Schwarz ist nicht der fehlende Bauer, sondern der Rückstand in der Figurenentwicklung. Dieser manifestiert sich z. B. in der Variante 16. …Dxd5 17. Sh4 Dd7 18. Tfd1! Dc8 19. Sf5 mit Gewinn nach dem folgenden Sd6 oder noch krasser nach 19. …Lxg2 20. Dg4! g6 21. Se7+ Txe7 22. Dxc8+. Hoang nahm den anderen Bauern: 16. …Txe2 17. Tfe1 Txe1+ 18. Txe1 Weiß am Zug würde umgehend gewinnen mit 19. Se5 De8 20. Sd3 Df8 (oder …Dc8 21. Te7 f6 22. Tc7) 21. Dc7. Der Partiezug 18. …f6 verhindert zwar Se5, aber das Unglück kommt von einer anderen Seite. 19. Lh3! mit der Idee …Dxh3 20. Te8+ Kf7 21. Txb8 Txb8 22. Sg5+ Kg6 23. Sxh3. 19. …Dd8 20. d6 Sc6 21. d7 Df8 22. Dc7 Sa5



Schwarz konnte mühsam die primären Drohungen abwehren - den Läufer b7 retten und den Einbruch Te8 verhindern -, aber das alles reicht nicht aus, die schwache Grundreihe ist nicht mehr zu "reparieren": 23. Le6+ Kh8 24. Lf7! Es droht Te8, und …Dxf7 scheitert an 25. d8D+ Txd8 26. Dxf7. 24. …Lc6 25. Te8 und wegen …Txe8 26. Lxe8! Lxd7 (sonst folgt d8D) 27. Lxd7 – 1:0

 


Auszug aus
China zieht durch! |Frauen-Mannschafts-WM geht an die asiatische Großmacht
erschienen in

SCHACH MAGAZIN 64, Februar 2012

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  Remisschluss einmal anders

Zu der nachstehend abgebildeten Stellung kam es am im Januar beim Open in Gibraltar zwischen zwei Spielern der Weltklasse. Weiß hat einen Bauern mehr, kann aber die Punkteteilung – zu der es mehrere Wege gibt – nicht verhindern:

 

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